Mit dem Osterhasen kommt der Stau

Trotz fortschrittlichster Navigationsgeräte, Stauapps und mehr als frühzeitiger Verkehrsaufkommensprognose: Der Stau auf der Nord-Süd-Achse gehört zu Ostern wie der Schoggihase in der Zellophanfolie. Allen Warnungen zum Trotz schaltet so mancher sonst zivilisierte Mensch in diesen Feiertagen auf naiv-stur oder eben auf das altbekannte Göschenen–Airolo und steuert seinen fahrbaren Untersatz gen Süden. Die Medien indessen zelebrieren den Osterstau und machen sich einen Spass daraus. Bei SRF 3 konnte man in der Osterwoche sogar auf die maximale Staulänge wetten. Der Sieger stand beim «ROI-Online»-Redaktionsschluss noch aus.

Wieso tun wir uns das an? Persönlich glaube ich, dass wir den Stau so lange wie möglich verdrängen. Bis zur letzten Minute hoffen (oder glauben) wir, dass wir – aus welchen unerklärlichen Gründen auch immer – davon verschont bleiben. Spätestens dann, wenn die Bremslichter und die Warnblinkanzeige beim Vorderwagen aufleuchten, wird uns bewusst, dass das Unvermeidbare eben doch nicht vermeidbar ist. Für etliche Reisende ist der Stau Teil ihres Ferienerlebnisses. Erst nach ein bis zwei Stunden fluchen und sich ärgern scheint der moderne Mensch die imaginäre Barriere überwunden zu haben, um sich ganz dem Feriengefühl hingeben zu können. Daher: Verderben wir mit Routenvorschlägen und Stauzeitprognosen den Stautouristen nicht ihren Event – er ist psychologisch sehr wichtig.

PS: Im August 2010 staute sich der Verkehr auf 90 Kilometern zwischen Peking und Tibet und hielt ganze zwölf Tage lang an. Oder in São Paulo, wo der Verkehr 2009 auf 293 Kilometern total zum Erliegen kam. Und nein – ich blieb über Ostern zu Hause.